av Rudolf Huch
386,-
Eheu! Mit diesem Weheruf aus dem klassischen Altertum pflegte ich während meiner Gymnasialzeit das göttliche Dreigespann des Phaeton zu begrüßen, jenes verwegenen Jünglings, der sich, wie uns Ovid überliefert, dereinst der Lenkung des Sonnenwagens unterwunden hat, aber weil ihm die Kräfte des Apollon fehlten, auf das elendste dabei umgekommen ist. Eine Erzählung, die mir in dem derzeitigen philosophischen Abschnitte meines Lebens höchst bedeutungsvoll erscheint, als ein Symbolum der allermeisten menschlichen Bestrebungen, ja vielleicht des menschlichen Lebens überhaupt. Wenn wir nämlich das von jenem Phaeton befahrene Himmelsgewölbe dem Tummelplatze dieser Erde und sein Gespann unserm Schicksal gleichsetzen, so ergibt sich, daß wir uns wohl alle in grüner Jugend vermessen, das Gefährte nach unserm Willen über die Bahn zu lenken, da wir doch nach einiger Strecke erkennen müssen, sofern wir nicht bis zum Ende in geistiger Blindheit beharren, daß vielmehr das Gespann uns führt, wohin es ihm beliebt. Auch hinsichtlich der Gleichsetzung unsers Schicksals mit einem durchgehenden Gespann erscheint mir der Vergleich keineswegs zu hinken. Irgendwas von Sinn und Verstand vermag ich in dem Walten der Schicksalsmacht wenigstens in meinem Leben nicht zu entdecken.Was nun schließlich das klägliche Ende des Unternehmers anlangt, so ist, solange die Welt steht, noch keines Menschen Fahrt anders ausgegangen als mit dem Tode. ¿Der aufmerkende Leser wird nicht erst der ausdrücklichen Versicherung bedürfen, daß mein Weheruf nicht etwa einer Abneigung wider die Wissenschaften entsprang. Das war so wenig der Fall, daß ich schon von der Obertertia an beflissen war, mich auf mein erwähltes Fach, Theologie und Philologie, vorzubereiten, indem ich Sextanern und Quintanern, deren Eltern mich darum anließen, gegen ein geringes Taschengeld Nachhilfestunden erteilte.