Om Sung Tieu: One Thousand Times
Die Form im Dienst des InhaltsDie Installationen der in Berlin lebenden Künstlerin Sung Tieu (*1987 Hai Duong, Vietnam) beschäftigen sich mit dem wechselseitigen (Zwangs-) Verhältnis von Bürokratie und Identität. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten bilden ihre Recherchen über das Anwerbeabkommen für vietnamesische VertragsarbeiterInnen in der ehemaligen DDR. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biografie begann sie sich mit den komplexen soziopolitischen Hintergründen dieses spezifischen Migrationskontextes zu beschäftigen. Es überlagern sich darin Aspekte des Arbeitsregimes, der Regulierung von Wohnraum und der Kontrolle der Privatsphäre. Diesen migrationspolitischen und ökonomischen Zusammenhängen spürt Sung Tieu in ihrer Archivarbeit systematisch nach und verdichtet ihre Forschungsergebnisse in Rauminstallationen, die Objekte, architektonische Interventionen, Dokumente, Zeichnungen, Videos und Toneinspielungen miteinander kombinieren, zu atmosphärisch eindrucksvollen audiovisuellen Erzählungen. Formalästhetisch sind ihre Arbeiten an Minimal Art und Konzeptkunst angelehnt. Was zunächst im Widerspruch zum politisch-narrativen Ansatz der Künstlerin zu stehen scheint, repräsentiert jedoch eine Form des kritischen Engagements, das den konventionellen Glauben an die Autonomie der Kunst und ihrer Interpretation auf die Probe stellt. Für Tieu steht die Form im Dienst des Inhalts. Das zeigt auch die Gestaltung dieser Publikation, die einen Teil von Tieus Recherchematerial und Archivalien sowie ihre gesamten Serien bürokratischer Dokumente in einer strengen Rasterstruktur reproduziert. Kunsthistorische Essays und ein Interview mit der Künstlerin geben uns zusätzlich Auskunft über weitere wichtige Einflüsse und Bezüge ihres Kunstschaffens.Ausstellungen:
Kunst Museum Winterthur, 16/9 - 19/11/2023
Kunsthalle Nürnberg, 9/3 - 9/6/2024
Visa mer